5. SONNTAG in der Osterzeit

Joh. 14, 1-12

 

Was wir gerade gehört haben, ist ein kleiner Ausschnitt aus den so genannten „Abschiedsreden“ von Jesus, wie der Evangelist Johannes sie in seinem Evangelium zusammengestellt hat. Die Abschiedsreden Jesu sind also keine historischen Wiedergaben der Worte Jesu im Abendmahls-saal. Sie sind zumindest mehr als 50 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung als Botschaft Jesu an die Christen des endenden 1. Jahrhunderts formuliert worden. Hier spricht Jesus zu seinen Christen, die in dieser Welt offenbar keinen Halt haben und keinen Weg sehen: Der Jerusalemer Tempel ist seit Jahren zerstört, die Apostel gestorben und der sich für "göttlich" haltende römische Kaiser Domitian verfolgt die Christen. Mit diesen Worten werden diese Christen - angesichts der Zweifel, Verfolgung und so weiter - zum Durchhalten im Glauben ermutigt. Ganz schwierige Zeiten also. Deswegen sagt Jesus: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ - Machen wir heutzutage auch ähnliche Erfahrungen von Verwirrung und Zweifel?

Jesus ist jetzt bei Gott, der ist „daheim“, „zu Hause“. Wir fühlen uns dort zu Hause, wo wir eine gute Beziehung erfahren. Dort zieht es uns hin. Jesus ist innig mit Gott verbunden. Und er möchte, dass auch wir „bei Gott“ sind, die Erfahrung machen „zu Hause“ zu sein. Aber wir sind noch unterwegs auf diesem Weg zu Gott. Dieser Weg geht nicht schnurgerade. Es gibt Abzweigungen, Irrwege, Sackgassen. Deswegen sind wir oft verwirrt.

Es kommt also darauf an, uns auf unserem Lebensweg an Jesus festzuhalten. „Ich bin der Weg zu Gott“, sagt Jesus. Es ist ein Weg der Liebe, des Miteinanders statt gegeneinander, ein Weg oft gegen den Strom der Zeit. Jesus hat diesen Weg gelebt und gezeigt. Leben wie Jesus, seine Art zu denken, Menschen zu begegnen, in Beziehung mit Gott zu leben. In Verbindung mit Jesus bleiben, eins sein mit ihm, wie er eins ist mit dem Vater: Das ist unser Ziel, auch wenn wir es nie so umfassend verwirklichen können, wie es Jesus gelang. Aber wo wir dieses Ziel anstreben, es nicht aufgeben, dort sind wir auf dem richtigen Weg.

Durch Jesus finden wir also zum wahren Gott. Nicht zu diesem „Irgend-Etwas-das-es-geben-muss“, nicht zu einem Produkt unserer Phantasie, sondern zu einem Gott, der sagt: „Ich bin da für euch“, zu einem Gott, zu dem ich eine persönliche Beziehung haben kann, zu einem Gott, der es gut findet, dass es mich gibt.

Durch Jesus können wir also erkennen, wer/wie Gott ist. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, sagt er. „Ich bin in Gott und Gott ist in mir. Er spricht und wirkt in mir.“ Und dann versichert Jesus uns, dass wir auch so eine ähnliche Beziehung zu Gott haben können, der auch in uns wirkt. Und da denke ich an Worte von großen Christen, die z.B. gesagt haben: „Geh in dich selbst, versuche zu verstehen, wer du selbst bist, was in deinem tiefsten Innern schlummert, wonach du dich sehnst .... dann findest du Gott.“ Augustinus hat es im 4. Jahrhundert schon gesagt: „Gott ist mir intimer als ich mir selber bin.“

Wenn ich zu dieser Glaubensüberzeugung gekommen bin, wenn ich danach lebe, beginnt das wahre Leben. „Lasst euch nicht verwirren“, sagt Jesus. Lasst euch nicht in die Irre führen und in Sackgassen enden. Dieser Kerngedanke des Johannesevangeliums formuliert die tiefste Bedeutung von Jesus für uns. Wie unser Leben auch verläuft, mit all seinen Unsicherheiten, wir sollen festhalten an Jesus. Denn er ist für uns „der Weg, die Wahrheit, das Leben.“

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